Warum manche Unternehmen lieber Millionen in die Automatisierung investieren, als die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen.
ALLES IM GRÜNEN BEREICH. Wir befinden uns im Kontrollraum einer großen Produktionsanlage, die rund um die Uhr im Einsatz ist. Unzählige Monitore flimmern und zeigen alle möglichen Parameter dieser komplexen Fertigungsstraße. Ein großer Bildschirm zeigt die aktuelle Geschwindigkeit in Metern pro Stunde und die Summe der Stillstandsminuten in der laufenden Schicht. Alle Werte sind im grünen Bereich. Im Kontrollraum befinden sich vier Mitarbeiter, die immer wieder einmal auf die Monitore blicken, aber sich sonst mit ihren Handys beschäftigen oder entspannt miteinander plaudern. Ich schaue eine Weile zu und beginne dann das Gespräch mit dem Schichtleiter über Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter. Es stellt sich heraus, dass die Mitarbeiter in erster Linie dazu da sind, Umrüstungen vorzunehmen und bei Störungen rasch einzugreifen.
Warum manche Unternehmen lieber Millionen in die Automatisierung investieren, als die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen.
ALLES IM GRÜNEN BEREICH. Wir befinden uns im Kontrollraum einer großen Produktionsanlage, die rund um die Uhr im Einsatz ist. Unzählige Monitore flimmern und zeigen alle möglichen Parameter dieser komplexen Fertigungsstraße. Ein großer Bildschirm zeigt die aktuelle Geschwindigkeit in Metern pro Stunde und die Summe der Stillstandsminuten in der laufenden Schicht. Alle Werte sind im grünen Bereich. Im Kontrollraum befinden sich vier Mitarbeiter, die immer wieder einmal auf die Monitore blicken, aber sich sonst mit ihren Handys beschäftigen oder entspannt miteinander plaudern. Ich schaue eine Weile zu und beginne dann das Gespräch mit dem Schichtleiter über Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter. Es stellt sich heraus, dass die Mitarbeiter in erster Linie dazu da sind, Umrüstungen vorzunehmen und bei Störungen rasch einzugreifen.
Ich frage, wann die nächste Umrüstung geplant ist? „Morgen ungefähr um diese Zeit, vorausgesetzt es passiert nichts!“ Ich blicke in die Statistiken der Stillstände und sehe, dass die Verfügbarkeit der Maschine extrem hoch ist und der letzte große „Crash“ schon mehr als sechs Wochen zurückliegt. Ich beende meinen „Quick- Check“ in diesem Bereich nach mehr als zwei Stunden, in denen sich das geschilderte Zustandsbild nicht ändert. Ein paar Hallen weiter befindet sich die Materialaufbereitung, der ebenfalls vier Mitarbeiter an völlig voneinander getrennten Arbeitsplätzen zugeteilt sind. Ich drehe eine halbe Stunde vor Schichtende gemeinsam mit dem Verantwortlichen eine Runde. Zwei Mitarbeiter sind nicht zu finden, einer ist brav am Arbeiten, einer ohne Beschäftigung an seinem Arbeitsplatz. Ich frage ihn nach seinen Verantwortlichkeiten, und er erzählt mir, dass er Messersätze zu schärfen habe. An diesem Tag war das ein Mal der Fall. Die Bearbeitungszeit für einen Messersatz beträgt drei Stunden, woraus sich fünf Stunden ohne Wertschöpfung ergeben. Der Schichtleiter gibt dazu keinen Kommentar ab und meint: „Das Volumen ändert sich von Schicht zu Schicht, abhängig von der Einsatzzeit einer Maschine.“
Ich frage, wann die nächste Umrüstung geplant ist? „Morgen ungefähr um diese Zeit, vorausgesetzt es passiert nichts!“ Ich blicke in die Statistiken der Stillstände und sehe, dass die Verfügbarkeit der Maschine extrem hoch ist und der letzte große „Crash“ schon mehr als sechs Wochen zurückliegt. Ich beende meinen „Quick- Check“ in diesem Bereich nach mehr als zwei Stunden, in denen sich das geschilderte Zustandsbild nicht ändert. Ein paar Hallen weiter befindet sich die Materialaufbereitung, der ebenfalls vier Mitarbeiter an völlig voneinander getrennten Arbeitsplätzen zugeteilt sind. Ich drehe eine halbe Stunde vor Schichtende gemeinsam mit dem Verantwortlichen eine Runde. Zwei Mitarbeiter sind nicht zu finden, einer ist brav am Arbeiten, einer ohne Beschäftigung an seinem Arbeitsplatz. Ich frage ihn nach seinen Verantwortlichkeiten, und er erzählt mir, dass er Messersätze zu schärfen habe. An diesem Tag war das ein Mal der Fall. Die Bearbeitungszeit für einen Messersatz beträgt drei Stunden, woraus sich fünf Stunden ohne Wertschöpfung ergeben. Der Schichtleiter gibt dazu keinen Kommentar ab und meint: „Das Volumen ändert sich von Schicht zu Schicht, abhängig von der Einsatzzeit einer Maschine.“
20 Minuten vor Ende der Schicht füllt sich nach und nach der Raum, fünf Minuten später sind alle Mitarbeiter anwesend. Dann kommen auch die vier Mitarbeiter der neuen Schicht dazu. Meine Erwartung an eine Übergabe erfüllt sich nicht, denn es werden nur persönliche Dinge ausgetauscht. Bis dann alles wieder läuft, ist die neue Schicht bereits 15 Minuten alt. Der Gesamtverlust beläuft sich auf mehr als 30 Minuten pro Mann. Leser könnten nun den Eindruck gewinnen, dass es sich bei dem beschriebenen Unternehmen um einen Sanierungsfall handelt. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Dieses Betrieb ist äußerst profitabel und gehört auch zu den Gewinnern der Coronakrise. Und er ist auch kein Einzelfall: Denn hohe Produktivität ist keine unbedingte Voraussetzung für hohe Profitabilität. Eine gute Marktpositionierung mit dementsprechend hohen Deckungsbeiträgen führt auch bei niedrigerer Produktivität zu guten Ergebnissen. Und wenn das Management den Aspekt Mitarbeiterproduktivität aus seiner Betrachtung als irrelevant ausblendet, dann können sich solche Zustände rasch einstellen.
UND WIE ENDETE DIE GESCHICHTE? Wir haben den Werksleiter mit unseren Beobachtungen und Erkenntnissen vertraut gemacht. Er wirkte zunächst bestürzt und begann dann aber, alle möglichen Begründungen für die spezielle Situation an diesem einen Tag zu liefern. Die Präsentation an das Topmanagement verlief nach einem ähnlichen Muster. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Unsere Argumentation, dass mit sauberer Planung viele dieser Potenziale auch nachhaltig gehoben werden könnten, wird vom Tisch gewischt. Lieber werden noch ein paar Millionen in die Automatisierung von Abläufen gesteckt, anstatt die Leistung von Mitarbeitern auf ein „normales“ Maß zu erhöhen. Manchmal greife ich mir an den Kopf und denke darüber nach, welch einfach realisierbare Verbesserungen aus lauter Luxus nicht umgesetzt werden – und wie hart andere Unternehmen an der Identifizierung und Umsetzung von letzten Leistungsreserven arbeiten. Ich habe aber auch die Beobachtung gemacht, dass die Zufriedenheit von Mitarbeitern, die hart an der Erreichung von Zielen arbeiten und diese auch schaffen, wesentlich höher ist als bei Kollegen mit geringerem „Anspannungsgrad“. Denn die beschweren sich dann noch darüber, dass sie nicht genügend verdienen.
20 Minuten vor Ende der Schicht füllt sich nach und nach der Raum, fünf Minuten später sind alle Mitarbeiter anwesend. Dann kommen auch die vier Mitarbeiter der neuen Schicht dazu. Meine Erwartung an eine Übergabe erfüllt sich nicht, denn es werden nur persönliche Dinge ausgetauscht. Bis dann alles wieder läuft, ist die neue Schicht bereits 15 Minuten alt. Der Gesamtverlust beläuft sich auf mehr als 30 Minuten pro Mann. Leser könnten nun den Eindruck gewinnen, dass es sich bei dem beschriebenen Unternehmen um einen Sanierungsfall handelt. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Dieses Betrieb ist äußerst profitabel und gehört auch zu den Gewinnern der Coronakrise. Und er ist auch kein Einzelfall: Denn hohe Produktivität ist keine unbedingte Voraussetzung für hohe Profitabilität. Eine gute Marktpositionierung mit dementsprechend hohen Deckungsbeiträgen führt auch bei niedrigerer Produktivität zu guten Ergebnissen. Und wenn das Management den Aspekt Mitarbeiterproduktivität aus seiner Betrachtung als irrelevant ausblendet, dann können sich solche Zustände rasch einstellen.
UND WIE ENDETE DIE GESCHICHTE? Wir haben den Werksleiter mit unseren Beobachtungen und Erkenntnissen vertraut gemacht. Er wirkte zunächst bestürzt und begann dann aber, alle möglichen Begründungen für die spezielle Situation an diesem einen Tag zu liefern. Die Präsentation an das Topmanagement verlief nach einem ähnlichen Muster. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Unsere Argumentation, dass mit sauberer Planung viele dieser Potenziale auch nachhaltig gehoben werden könnten, wird vom Tisch gewischt. Lieber werden noch ein paar Millionen in die Automatisierung von Abläufen gesteckt, anstatt die Leistung von Mitarbeitern auf ein „normales“ Maß zu erhöhen. Manchmal greife ich mir an den Kopf und denke darüber nach, welch einfach realisierbare Verbesserungen aus lauter Luxus nicht umgesetzt werden – und wie hart andere Unternehmen an der Identifizierung und Umsetzung von letzten Leistungsreserven arbeiten. Ich habe aber auch die Beobachtung gemacht, dass die Zufriedenheit von Mitarbeitern, die hart an der Erreichung von Zielen arbeiten und diese auch schaffen, wesentlich höher ist als bei Kollegen mit geringerem „Anspannungsgrad“. Denn die beschweren sich dann noch darüber, dass sie nicht genügend verdienen.