Die Beschwerde einer Ex-Mitarbeiterin über eine angebliche sexuelle Belästigung erwies sich als völlig haltlos – kostete aber eine Menge Zeit.

Alois Czipin

AUS ANDERER SICHT. Am 20. Juni wird seit einigen Jahren der „Tag der Produktivität“ begangen. Er findet so gut wie keine Beachtung, und selbst ich wurde erst dieses Jahr darauf aufmerksam gemacht. Ein Kollege meinte, ich könnte den Anlass nützen, um das Thema Produktivität in dieser Kolumne einmal aus einer anderen Sicht zu beleuchten. Here we go!

Die Beschwerde einer Ex-Mitarbeiterin über eine angebliche sexuelle Belästigung erwies sich als völlig haltlos – kostete aber eine Menge Zeit.

Alois Czipin

AUS ANDERER SICHT. Am 20. Juni wird seit einigen Jahren der „Tag der Produktivität“ begangen. Er findet so gut wie keine Beachtung, und selbst ich wurde erst dieses Jahr darauf aufmerksam gemacht. Ein Kollege meinte, ich könnte den Anlass nützen, um das Thema Produktivität in dieser Kolumne einmal aus einer anderen Sicht zu beleuchten. Here we go!

Vor einigen Jahren sitze ich guter Dinge in meinem Büro. Meine Assistentin überreicht mir einen eingeschriebenen Brief. Als Absender identifiziere ich eine ehemalige Mitarbeiterin, von der ich mich zwei Jahre zuvor getrennt habe. Mir ist klar, dass das kein Liebesbrief ist. Der Inhalt des Schreibens verschlägt mir den Atem. Die Mitarbeiterin führt aus, dass sie sich im Rahmen einer Weiterbildungsveranstaltung bei uns sexuell belästigt fühlte, und fordert aus diesem Grund nun ein angemessenes „Schmerzensgeld“. In meiner Magengrube zieht sich alles zusammen, aber es hilft nichts: Ich muss mich mit dieser Sache auseinandersetzen, ob es mir gefällt oder nicht.

Kurze Rückblende auf diesen Vorfall: Zu jener Zeit arbeiteten wir immer wieder mit einem US-Coach, den ich engagierte, um mehr Schwung in meine Mannschaft zu bringen. Seine Aufgabe war, uns aus der Komfortzone zu holen, damit wir uns trauen, mit mehr Emotionalität die Offenheit unserer Klienten für Veränderungen zu fördern. In diesem Zusammenhang führte unser Coach, ein Broadway-Tänzer, eine sehr fordernde Übung durch: Wir sollten uns zu Musik mittels Bewegungen für die Zuseher attraktiv machen. Er nannte die Übung „Sexy Dance“. Ich machte auch selbst mit und befand mich – wie alle anderen – weit außerhalb meiner Komfortzone. Aber: Ich versuchte mein Bestes, wurde beklatscht und fühlte mich nachher besser, da ich mich getraut hatte.

Nun gibt die Beschwerdeführerin in Ihrem Schreiben an, ich hätte es in meiner Funktion als Geschäftsführer unterlassen, sie von dieser Übung zu entbinden, und fordert dafür eine finanzielle „Entschädigung“. Ich bin mir keiner Schuld bewusst und spüre großen Zorn in mir aufsteigen. Ich konzipiere eine abschlägige Antwort, die jedoch nicht den gewünschten Erfolg bringt.

Nach und nach dreht sich die Eskalationsschraube nach oben. Zunächst geht es zwischen der Arbeiterkammer und meinem Anwalt hin und her. Ohne Einigung. Mich belastet diese Angelegenheit und lenkt mich immer wieder von produktiver Arbeit ab. Dann geht der Fall zur Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt. Der Schriftverkehr, der sich daraus ergibt, füllt irgendwann mehrere Ordner. Ich bin immer wieder stundenlang gefordert, damit mein Anwalt präzise Sachverhaltsdarstellungen erstellen kann.

Vor einigen Jahren sitze ich guter Dinge in meinem Büro. Meine Assistentin überreicht mir einen eingeschriebenen Brief. Als Absender identifiziere ich eine ehemalige Mitarbeiterin, von der ich mich zwei Jahre zuvor getrennt habe. Mir ist klar, dass das kein Liebesbrief ist. Der Inhalt des Schreibens verschlägt mir den Atem. Die Mitarbeiterin führt aus, dass sie sich im Rahmen einer Weiterbildungsveranstaltung bei uns sexuell belästigt fühlte, und fordert aus diesem Grund nun ein angemessenes „Schmerzensgeld“. In meiner Magengrube zieht sich alles zusammen, aber es hilft nichts: Ich muss mich mit dieser Sache auseinandersetzen, ob es mir gefällt oder nicht.

Kurze Rückblende auf diesen Vorfall: Zu jener Zeit arbeiteten wir immer wieder mit einem US-Coach, den ich engagierte, um mehr Schwung in meine Mannschaft zu bringen. Seine Aufgabe war, uns aus der Komfortzone zu holen, damit wir uns trauen, mit mehr Emotionalität die Offenheit unserer Klienten für Veränderungen zu fördern. In diesem Zusammenhang führte unser Coach, ein Broadway-Tänzer, eine sehr fordernde Übung durch: Wir sollten uns zu Musik mittels Bewegungen für die Zuseher attraktiv machen. Er nannte die Übung „Sexy Dance“. Ich machte auch selbst mit und befand mich – wie alle anderen – weit außerhalb meiner Komfortzone. Aber: Ich versuchte mein Bestes, wurde beklatscht und fühlte mich nachher besser, da ich mich getraut hatte.

Nun gibt die Beschwerdeführerin in Ihrem Schreiben an, ich hätte es in meiner Funktion als Geschäftsführer unterlassen, sie von dieser Übung zu entbinden, und fordert dafür eine finanzielle „Entschädigung“. Ich bin mir keiner Schuld bewusst und spüre großen Zorn in mir aufsteigen. Ich konzipiere eine abschlägige Antwort, die jedoch nicht den gewünschten Erfolg bringt.

Nach und nach dreht sich die Eskalationsschraube nach oben. Zunächst geht es zwischen der Arbeiterkammer und meinem Anwalt hin und her. Ohne Einigung. Mich belastet diese Angelegenheit und lenkt mich immer wieder von produktiver Arbeit ab. Dann geht der Fall zur Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt. Der Schriftverkehr, der sich daraus ergibt, füllt irgendwann mehrere Ordner. Ich bin immer wieder stundenlang gefordert, damit mein Anwalt präzise Sachverhaltsdarstellungen erstellen kann.

Der nächste Akt des Dramas ist die Zeugeneinvernahme vor besagter Kommission. Mehrere Termine sind notwendig, bevor ein „Urteil“ ergeht. Das Resultat: Die Beschwerde wird abgewiesen, und es wird ausdrücklich festgestellt, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe. Mir fällt ein Stein von der Brust, denn man weiß vorher nie, wie ein solches Verfahren ausgeht. Wie mein Anwalt sagt: Bei Gericht ist es wie auf hoher See, der Ausgang ist ungewiss!

Des Dramas letzter Akt findet auf dem Firmenkonto statt: Die Anwaltskosten betragen über 10.000 Euro, wovon kein einziger Cent von der Gegenseite getragen wird. Ich selbst und zwei Mitarbeiter meiner Firma haben viele Stunden mit der Sache verbracht. Es bleibt also trotz des „Sieges“ ein schaler Nachgeschmack. Was diese Geschichte mit „Produktivität“ zu tun hat? Sehr vieles, meine ich. Denn hohe Produktivität ist definitionsgemäß nur dort zu finden, wo das gesamte Tun der Wertschöpfung nützt. Und davon kann in dieser Geschichte wohl keine Rede sein.

Ich will es mir nicht einfach machen und die gesamte Verantwortung dem Rechtssystem anlasten. So ein Ansatz könnte der Willkür Tür und Tor öffnen. Aber etwas mehr Augenmerk auf das Hinterfragen der Legitimität von Beschwerden könnte viel unnötigen Aufwand verhindern. Ein anderer Ansatz wäre, der Mitarbeiterin die Schuld zu geben. Sie verließ das Unternehmen in einem instabilen emotionalen Zustand und hatte die Möglichkeit, ohne eigenes finanzielles Risiko diese Klage einzubringen. Da ist die Versuchung groß, es zumindest zu versuchen.

Und was ist mit mir? Trotz aller Leistungsorientierung muss Mitarbeiter:innen, die Projektziele nicht erreichen, so viel Wertschätzung entgegengebracht werden, dass solche Reaktionen nicht entstehen. In Zeiten wie diesen ein hoher Anspruch an mich und die gesamte Mannschaft. Im Sinne des „Tages der Produktivität“: Möge die Übung künftig besser gelingen!

Der nächste Akt des Dramas ist die Zeugeneinvernahme vor besagter Kommission. Mehrere Termine sind notwendig, bevor ein „Urteil“ ergeht. Das Resultat: Die Beschwerde wird abgewiesen, und es wird ausdrücklich festgestellt, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe. Mir fällt ein Stein von der Brust, denn man weiß vorher nie, wie ein solches Verfahren ausgeht. Wie mein Anwalt sagt: Bei Gericht ist es wie auf hoher See, der Ausgang ist ungewiss!

Des Dramas letzter Akt findet auf dem Firmenkonto statt: Die Anwaltskosten betragen über 10.000 Euro, wovon kein einziger Cent von der Gegenseite getragen wird. Ich selbst und zwei Mitarbeiter meiner Firma haben viele Stunden mit der Sache verbracht. Es bleibt also trotz des „Sieges“ ein schaler Nachgeschmack. Was diese Geschichte mit „Produktivität“ zu tun hat? Sehr vieles, meine ich. Denn hohe Produktivität ist definitionsgemäß nur dort zu finden, wo das gesamte Tun der Wertschöpfung nützt. Und davon kann in dieser Geschichte wohl keine Rede sein.

Ich will es mir nicht einfach machen und die gesamte Verantwortung dem Rechtssystem anlasten. So ein Ansatz könnte der Willkür Tür und Tor öffnen. Aber etwas mehr Augenmerk auf das Hinterfragen der Legitimität von Beschwerden könnte viel unnötigen Aufwand verhindern. Ein anderer Ansatz wäre, der Mitarbeiterin die Schuld zu geben. Sie verließ das Unternehmen in einem instabilen emotionalen Zustand und hatte die Möglichkeit, ohne eigenes finanzielles Risiko diese Klage einzubringen. Da ist die Versuchung groß, es zumindest zu versuchen.

Und was ist mit mir? Trotz aller Leistungsorientierung muss Mitarbeiter:innen, die Projektziele nicht erreichen, so viel Wertschätzung entgegengebracht werden, dass solche Reaktionen nicht entstehen. In Zeiten wie diesen ein hoher Anspruch an mich und die gesamte Mannschaft. Im Sinne des „Tages der Produktivität“: Möge die Übung künftig besser gelingen!