Wie der Autor seine Beratungsfirma mit einem englischen Partner fusionieren wollte und woran das im letzten Augenblick scheiterte.
DIE VERZWEIFLUNG HATTE mich im Herbst 1988 gut im Griff. Es war mir gelungen, einige größere Projekte zu akquirieren. Nur leider waren diese in Branchen, von denen ich herzlich wenig Ahnung hatte: zwei in der Finanzdienstleistung und eines in der Textilausrüstung. Meine Teams waren auch nicht sehr erfahren und die Klienten saßen mir im Nacken: „Wann sehen wir Ergebnisse? Wo bleiben die Einsparungen“ etc. – das waren die Fragen, die mich bis in meine Träume verfolgten. Da kommt mir die rettende Idee, einen ehemaligen Kollegen in England anzurufen, der auch perfekt Deutsch spricht. Der ist hocherfreut über meinen Anruf, denn er hat in seinem ebenfalls neu gegründeten Unternehmen das gegenteilige Problem. Hochqualifizierte Berater, aber keine Mandate.
Wie der Autor seine Beratungsfirma mit einem englischen Partner fusionieren wollte und woran das im letzten Augenblick scheiterte.
DIE VERZWEIFLUNG HATTE mich im Herbst 1988 gut im Griff. Es war mir gelungen, einige größere Projekte zu akquirieren. Nur leider waren diese in Branchen, von denen ich herzlich wenig Ahnung hatte: zwei in der Finanzdienstleistung und eines in der Textilausrüstung. Meine Teams waren auch nicht sehr erfahren und die Klienten saßen mir im Nacken: „Wann sehen wir Ergebnisse? Wo bleiben die Einsparungen“ etc. – das waren die Fragen, die mich bis in meine Träume verfolgten. Da kommt mir die rettende Idee, einen ehemaligen Kollegen in England anzurufen, der auch perfekt Deutsch spricht. Der ist hocherfreut über meinen Anruf, denn er hat in seinem ebenfalls neu gegründeten Unternehmen das gegenteilige Problem. Hochqualifizierte Berater, aber keine Mandate.
Einige Tage später kommt er bereits nach Wien, um mit mir über mögliche Unterstützung zu sprechen. Wir vereinbaren kurzerhand eine unbürokratische Kooperation: Er hilft mir mit einigen seiner Leute bei meinen Projekten und ich helfe ihm, Projekte zu verkaufen. Die Kooperation läuft super an. Meine Mitarbeiter sind hocherfreut, qualifizierte Unterstützung zu bekommen. Das geballte Know-how der englischen Berater reduziert den Druck auf den Projekten, und langsam beginne ich, wieder „Land zu sehen“. Ich beginne, ernsthaft darüber nachzudenken, ob nicht ein Zusammenschluss der beiden Unternehmen langfristig die richtige Antwort ist. Vieles spricht dafür: weniger Risiko, weniger Abhängigkeit von mir, mehr Spaß bei der Arbeit mit echten Professionals. Eines Tages ruft mich mein Kollege an und bittet mich, eine Analyse im Norden Englands zu leiten: ein 1.000-Mann Unternehmen, das Kekse produziert. Einerseits freue ich mich auf diese Aufgabe, andererseits ist mir bewusst, welche Verantwortung ich übernehme, denn diese Analyse wird über das Wohl und Wehe meines Kooperationspartners entscheiden. Mit gemischten Gefühlen fliege ich nach England und nehme diese Aufgabe in Angriff.
Einige Tage später kommt er bereits nach Wien, um mit mir über mögliche Unterstützung zu sprechen. Wir vereinbaren kurzerhand eine unbürokratische Kooperation: Er hilft mir mit einigen seiner Leute bei meinen Projekten und ich helfe ihm, Projekte zu verkaufen. Die Kooperation läuft super an. Meine Mitarbeiter sind hocherfreut, qualifizierte Unterstützung zu bekommen. Das geballte Know-how der englischen Berater reduziert den Druck auf den Projekten, und langsam beginne ich, wieder „Land zu sehen“. Ich beginne, ernsthaft darüber nachzudenken, ob nicht ein Zusammenschluss der beiden Unternehmen langfristig die richtige Antwort ist. Vieles spricht dafür: weniger Risiko, weniger Abhängigkeit von mir, mehr Spaß bei der Arbeit mit echten Professionals. Eines Tages ruft mich mein Kollege an und bittet mich, eine Analyse im Norden Englands zu leiten: ein 1.000-Mann Unternehmen, das Kekse produziert. Einerseits freue ich mich auf diese Aufgabe, andererseits ist mir bewusst, welche Verantwortung ich übernehme, denn diese Analyse wird über das Wohl und Wehe meines Kooperationspartners entscheiden. Mit gemischten Gefühlen fliege ich nach England und nehme diese Aufgabe in Angriff.
Ich verstehe mich auf Anhieb mit dem CEO des Unternehmens. Er ist – so wie ich – neu in der Position. Ich verbringe den Tag im Betrieb, um zu verstehen, welche Fakten meine Berater zu Tage fördern. Und diese Fakten zeigen gewaltige Potenziale, die ich abends mit dem CEO detailgetreu durchgehe. Er ist wie elektrisiert von den Möglichkeiten, die im Unternehmen stecken, denn er braucht sie für die Realisierung der ihm gesteckten Ziele. Am Ende der dritten Woche verkaufe ich ein Projekt, das sich gewaschen hat und auch die Firma meines Kollegen rettet. Damit sind wir uns einig, unsere beiden Firmen zu verschmelzen, und wir beginnen mit dem Fusionsprozess. Wir vereinbaren einen Zusammenschluss unter „Gleichen“. Jeder soll ein Drittel der Anteile halten: mein Kollege, sein strategischer Partner und ich. Es werden komplizierte Verträge ausgearbeitet, was einige Wochen in Anspruch nimmt. Plötzlich erreicht mich eine Faxnachricht mit verstörendem Inhalt: Ich soll nur noch 20 Prozent der Anteile halten, da ja mit dem neuen Projekt die englische Firma viel höher zu bewerten ist. Wir diskutieren hin und her, aber an der Position meiner zukünftigen Partner ist nicht zu rütteln.
Eines meiner Projekte ist noch in einer delikaten Phase und ein abruptes Ende der Zusammenarbeit wäre für mich sehr nachteilig. So zögere ich die Verhandlungen noch hinaus, um Zeit zu gewinnen. Einerseits bin ich von der Sinnhaftigkeit der Zusammenarbeit überzeugt, aber andererseits will ich mich nicht über den Tisch ziehen lassen.
EINES TAGES IST ES aber so weit: Die Verträge sind fertig und es wird ein Notartermin in London vereinbart. Mein Steuerberater begleitet mich und abends sitzen wir in der Bar des Hotels. Nach einer intensiven Diskussion über das Für und Wider sagt er zu mir: „Herr Czipin, den Vertrag können Sie nicht unterschreiben!“ Sagt es, steht auf und geht. Ratlos bleibe ich zurück und habe eine schlaflose Nacht vor mir. Am nächsten Morgen sitzen wir in großer Runde beim Notar. Ich weiß noch immer nicht, was ich tun soll. Der Notar verliest den Vertrag und lässt ihn zur Unterschrift herumgehen. Ich werde immer nervöser, aber irgendwann liegt der Vertrag vor mir. Ich nehme die Feder zur Hand, denke nach, lege sie wieder zur Seite und sage dann laut und vernehmlich: “Sorry, gentlemen, but I won’t sign!” Ich stehe auf und hinterlasse eine konsternierte Runde.
Noch heute bin ich stolz darauf, den Mut zu dieser Entscheidung aufgebracht zu haben.
Ich verstehe mich auf Anhieb mit dem CEO des Unternehmens. Er ist – so wie ich – neu in der Position. Ich verbringe den Tag im Betrieb, um zu verstehen, welche Fakten meine Berater zu Tage fördern. Und diese Fakten zeigen gewaltige Potenziale, die ich abends mit dem CEO detailgetreu durchgehe. Er ist wie elektrisiert von den Möglichkeiten, die im Unternehmen stecken, denn er braucht sie für die Realisierung der ihm gesteckten Ziele. Am Ende der dritten Woche verkaufe ich ein Projekt, das sich gewaschen hat und auch die Firma meines Kollegen rettet. Damit sind wir uns einig, unsere beiden Firmen zu verschmelzen, und wir beginnen mit dem Fusionsprozess. Wir vereinbaren einen Zusammenschluss unter „Gleichen“. Jeder soll ein Drittel der Anteile halten: mein Kollege, sein strategischer Partner und ich. Es werden komplizierte Verträge ausgearbeitet, was einige Wochen in Anspruch nimmt. Plötzlich erreicht mich eine Faxnachricht mit verstörendem Inhalt: Ich soll nur noch 20 Prozent der Anteile halten, da ja mit dem neuen Projekt die englische Firma viel höher zu bewerten ist. Wir diskutieren hin und her, aber an der Position meiner zukünftigen Partner ist nicht zu rütteln.
Eines meiner Projekte ist noch in einer delikaten Phase und ein abruptes Ende der Zusammenarbeit wäre für mich sehr nachteilig. So zögere ich die Verhandlungen noch hinaus, um Zeit zu gewinnen. Einerseits bin ich von der Sinnhaftigkeit der Zusammenarbeit überzeugt, aber andererseits will ich mich nicht über den Tisch ziehen lassen.
EINES TAGES IST ES aber so weit: Die Verträge sind fertig und es wird ein Notartermin in London vereinbart. Mein Steuerberater begleitet mich und abends sitzen wir in der Bar des Hotels. Nach einer intensiven Diskussion über das Für und Wider sagt er zu mir: „Herr Czipin, den Vertrag können Sie nicht unterschreiben!“ Sagt es, steht auf und geht. Ratlos bleibe ich zurück und habe eine schlaflose Nacht vor mir. Am nächsten Morgen sitzen wir in großer Runde beim Notar. Ich weiß noch immer nicht, was ich tun soll. Der Notar verliest den Vertrag und lässt ihn zur Unterschrift herumgehen. Ich werde immer nervöser, aber irgendwann liegt der Vertrag vor mir. Ich nehme die Feder zur Hand, denke nach, lege sie wieder zur Seite und sage dann laut und vernehmlich: “Sorry, gentlemen, but I won’t sign!” Ich stehe auf und hinterlasse eine konsternierte Runde.
Noch heute bin ich stolz darauf, den Mut zu dieser Entscheidung aufgebracht zu haben.