Wer gewinnen will, muss bereit sein zu verlieren

Alois Czipin

Februar 2017 im Sitzungszimmer des Vorstands eines alteingesessenen Finanzdienstleistungsinstituts. Anwesend ist der gesamte vierköpfige Vorstand in Krawatte und Nadelstreif. Die vier Herren warten auf die Präsentationen von drei verschiedenen Beratungsunternehmen – ein sogenannter „Beauty-Contest“. Der Vorstand will sich von Ideen zur Steigerung der Vertriebseffizienz inspirieren lassen und hat unter anderem auch uns dazu eingeladen!

Wer gewinnen will, muss bereit sein zu verlieren

Alois Czipin

Februar 2017 im Sitzungszimmer des Vorstands eines alteingesessenen Finanzdienstleistungsinstituts. Anwesend ist der gesamte vierköpfige Vorstand in Krawatte und Nadelstreif. Die vier Herren warten auf die Präsentationen von drei verschiedenen Beratungsunternehmen – ein sogenannter „Beauty-Contest“. Der Vorstand will sich von Ideen zur Steigerung der Vertriebseffizienz inspirieren lassen und hat unter anderem auch uns dazu eingeladen!

Zwei Jahre zuvor wird die Idee geboren als sichtbares Zeichen des Rebrandings meiner Firma ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen. Unser Creative Director schlägt das Stück „Frühere Verhältnisse“ vor: das Stück handelt vom gescheiterten Unternehmer Muffl, der nach dem missglückten Einstieg eines Partners in sein erfolgreiches Unternehmen in die „unverschuldete“ Pleite schlittert. Mit seiner letzten Barschaft gönnt er sich einen Kuraufenthalt, lernt dort eine Provinzschauspielerin kennen, die ihm das letzte Geld aus der Tasche zieht und ihn dann schmählich verlässt. Er beginnt zu trinken und schlägt in der Obdachlosigkeit und Mittellosigkeit auf. Er gibt sich einen Stoß und übernimmt als letzte Chance den Posten eines Hausknechts. Er tritt in die Dienste eines neureichen Unternehmers, der früher selber bei Muffl Hausknecht war.

Zwei Jahre zuvor wird die Idee geboren als sichtbares Zeichen des Rebrandings meiner Firma ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen. Unser Creative Director schlägt das Stück „Frühere Verhältnisse“ vor: das Stück handelt vom gescheiterten Unternehmer Muffl, der nach dem missglückten Einstieg eines Partners in sein erfolgreiches Unternehmen in die „unverschuldete“ Pleite schlittert. Mit seiner letzten Barschaft gönnt er sich einen Kuraufenthalt, lernt dort eine Provinzschauspielerin kennen, die ihm das letzte Geld aus der Tasche zieht und ihn dann schmählich verlässt. Er beginnt zu trinken und schlägt in der Obdachlosigkeit und Mittellosigkeit auf. Er gibt sich einen Stoß und übernimmt als letzte Chance den Posten eines Hausknechts. Er tritt in die Dienste eines neureichen Unternehmers, der früher selber bei Muffl Hausknecht war.

Dieser Neureiche ist aber leicht erpressbar, da er eine hochnäsige Professorentochter geheiratet hat, die nicht wissen darf, aus welchen Verhältnissen er stammt. Neben Muffl kommt auch die frühere Geliebte als Köchin in den Haushalt, da sie nach vielen Enttäuschungen, wieder in ihren ursprünglichen Job zurückkehrt. Und so beginnt eine amüsante und rasante Verwirrkomödie um Ansehen, Geld, Macht und Liebe.

„Es gibt viel gute Menschen, aber grundschlechte Leut!“ So lautet der Refrain des Couplets von Nestroy aus diesem Stück. Es erzählt in geraffter Form sowohl den unternehmerischen Niedergang wie auch die Geschichte der enttäuschten Liebe.

Wir sitzen also 2 Wochen vor der Präsentation zusammen und überlegen wie wir diese für eine uns neue Branche in überzeugender Weise gestalten können. Bald kommt mir der Gedanke die Auftrittsszene des Muffl als Metapher zu verwenden. Welche Metapher? Das Verwirrspiel kommt nämlich dadurch zu einem guten Ende als sich die ehemalige Geliebte dazu aufschwingt die Wahrheit auf den Tisch zu legen. Und damit wird ein Neuanfang möglich.

Zunächst sind wir begeistert. Ich lerne dieses 7 Minuten lange Stück wieder ein und probe das Couplet mit meinem Kollegen, der Gitarre spielt. Unser Creative Director unterstützt uns dabei und gibt wertvolle Inputs. Je näher die Präsentation kommt, desto unsicherer werde ich aber. Ist das nicht überinszeniert für dieses erzkonservative Unternehmen? Mit einem Grummeln im Bauch entscheide ich den Auftritt in dieser Form „auf die Bühne“ zu bringen.

Knapp vor dem Auftritt steigert sich das Grummeln zu einem Orkan in meinen Eingeweiden. Wir betreten also mit einer großen Metallkiste den vornehmen Besprechungsraum. Unsere vier Gesprächspartner schauen mit großen Augen und fragen, was wir da mitgebracht haben. Wir verraten nichts, betreiben etwas Smalltalk und nehmen Platz. Der Vorstandsvorsitzende stellt die anwesenden Vorstände vor und ich mache dasselbe mit mir und meinem Kollegen. Ich stelle die Frage: „Sind Sie bereit?“ und dann beginnt die Show. Mein Unbehagen hat die Schmerzgrenze längst überschritten, aber sobald mein Kollege die Kiste öffnet, die Gitarre entnimmt und ich zu ihm sage: „Spü, Oida!“, werde ich ganz ruhig. „Die Rass´ guter Menschen is no lang ned ausgst’orben doch werdn’s durch böse Leut oft verleit´und verdorben, ……“ kommt mir so wie einstudiert von den Lippen. Ohne einen Fehler machen wir unsere Performance.

Der Vorstand schaut zunächst ungläubig, was sich da vor seinen Augen abspielt, aber nach und nach merke ich wie das Interesse an der Geschichte wächst und alle ganz fasziniert zuhören. Am Ende der Geschichte steht unausgesprochen die Frage im Raum, was das alles mit der definierten Fragestellung zu tun hat. Und da beginne ich langsam die Metapher aufzulösen. Im Unternehmen ist es so wie im Stück: erst wenn einer beginnt das Vorwands- und Beschuldigungsspiel aufzugeben und damit die nackte Wahrheit auf den Tisch kommt, gibt es eine realistische Chance für echte Veränderungen.

Wir bestreiten natürlich auch noch den professionellen Teil unserer Präsentation und beantworten die interessierten Fragen. Am Ende bedankt sich der Vorstandsvorsitzende bei uns und wendet sich abschließend an seine Kollegen: „Meine Herren, ich glaube es wird Zeit, dass auch wir über unsere Präsentationen nachdenken!“

Es hat sich wieder einmal bewiesen: „Um zu gewinnen, muss du bereit sein zu verlieren!“ Und in diesem Fall haben wir auch noch gewonnen – Halleluja!!!

Ich bin emotional gesehen – typisch für Verkäufer – auf einer wilden Achterbahn unterwegs. Gelingt mir der Verkauf eines großen Mandates bin ich „over the moon“, bei Fehlschlägen gerate ich emotional auf die schiefe Bahn und bin dann oft schlechter Laune, was meine Mitarbeiter oft zu spüren bekommen. Mein Partner hat die Gabe dies rasch zu erkennen, mir Mut zuzusprechen und damit meine „schlechten“ Phasen kurz zu halten. Immer wieder holt er mich aus meinen Tälern heraus, was natürlich meine Abschlussstärke unterstützt.

Ich erinnere mich genau, dass wir 1998 vor dem Abschluss eines ganz großen Mandates stehen. Der Klient ist meiner Einschätzung nach bereit ein Projekt von mehreren Millionen Euro zu autorisieren. Ich hatte viel Zeit und Energie in den Aufbau dieses Kontaktes investiert. Und auch das Timing ist ideal: die für einen solchen Einsatz notwendigen Mitarbeiter sind verfügbar. Und dann kommt aus dem Blitzblauen ein kurzer Anruf dieses Klienten, in dem er mir mitteilt, dass er das Projekt einem Konkurrenzunternehmen gibt. Ich bin am Boden und entwickle wie in solchen Situationen so oft zuvor und auch danach schlimme Existenzängste. Mein Kollege merkt das sofort und geht auf mich ein, stärkt mein Selbstbewusstsein und entwickelt Strategien und Ideen, was nun zu tun ist. Und siehe da: einige Wochen später schaffe ich es ein vergleichbares Projekt zu verkaufen.

2001 verkaufe ich mein Unternehmen an einen Mitbewerber. Sehr rasch werden erprobte Seilschaften in meinem Unternehmen aufgelöst. Auch mein Partner bekommt nach einem halben Jahr andere Aufgaben zugeteilt. Ich versuche das zu verhindern, aber meine neuen Eigentümer wollen die alten „Machtstrukturen“ zerstören. Ich habe jedoch eine andere Wahrnehmung und bilde mir ein, dass diese Veränderung auf Betreiben meines Vertrauten umgesetzt werden. Mein Eindruck verstärkt sich im Rahmen eines Telefonates und ich beschließe, ihn auf meine persönliche „Schwarze Liste“ zu setzen. No more contact. Wenige Monate später verlasse ich entnervt „mein“ Unternehmen.

2003 gründe ich mein zweites Beratungsunternehmen. Ich nehme mir vor ganz neu zu beginnen und auf keine „alten“ Kräfte zurückzugreifen. Nach und nach kommen zwar einige frühere Mitarbeiter zurück, aber als rechte Hand rekrutiere ich einen erfahrenen Berater aus Österreich. Meine ehemaliger Partner  fällt mehr und mehr in Vergessenheit. Hin und wieder denke ich wehmütig an ihn besonders in der schwierigen Zeit 2011 bis 2014. Aber die gefühlte schwere Beleidigung und Enttäuschung hält mich davon ab ihn zu kontaktieren.

Erst Ende 2017 ist es soweit. Ich gebe seinen Namen bei facebook ein und siehe da: er ist Mitglied. Ich schicke ihm eine Freundschaftsanfrage, die er 5 Minuten später bereits bestätigt. Und dann ist es, als ob keine 15 Jahre zwischen dem letzten Gespräch liegen. Wir können dort anknüpfen, wo wir als ebenbürtige Partner zusammen gearbeitet haben. Mein ehemaliger Vertrauter ist mittlerweile schon über 70, aber bereit und auch fähig mich wieder zu unterstützen. Seine Aufgabe hat sich natürlich geändert, denn nun ist es seine Aufgabe jüngere Kollegen zu coachen wie ein Beratungsunternehmen unseres Zuschnitts effektiv geführt werden kann.

Und wieder habe ich gelernt, dass persönliche Entwicklung mit dem Verlassen meiner Komfortzone einhergeht – in diesem Fall heißt das: mein beleidigtes Ego zu ignorieren und mit einem „vermeintlichen Verräter“ erneut in Kontakt zu treten. Auf die Gefahr hin wieder verletzt oder zurückgewiesen zu werden! No risk – no fun!!!