Unsere Reality-Checks stoßen bei Management und Betriebsräten häufig auf Widerstand. Liegen dann Ergebnisse vor, ist die Firmenleitung oft mehr überrascht als die Mitarbeiter:innen.

Alois Czipin

UNNÖTIGE HANDGRIFFE. Es gibt einen Moment in den Präsentationen unserer Dienstleistung, der jedes Mal für „Unruhe“ bei Manager:innen und Betriebsrät:innen sorgt. Und zwar, wenn ich von unseren „Reality-Checks“ spreche, bei denen wir ganze Arbeitstage mit Mitarbeiter:innen verbringen. Dadurch wollen wir verstehen, wie gut die Prozesse in der Praxis funktionieren, ohne die begleiteten Personen persönlich zu beurteilen. Die Qualität von Prozessen lässt sich daran messen, ob Mitarbeiter:innen vollständige Informationen für ihre Arbeit haben und ob sie ohne unnötige Handgriffe die ihnen zugewiesene Aufgabe erledigen können. Ist dies nicht der Fall, so resultieren daraus nicht wertschöpfende Zeitanteile.

Unsere Reality-Checks stoßen bei Management und Betriebsräten häufig auf Widerstand. Liegen dann Ergebnisse vor, ist die Firmenleitung oft mehr überrascht als die Mitarbeiter:innen.

Alois Czipin

UNNÖTIGE HANDGRIFFE. Es gibt einen Moment in den Präsentationen unserer Dienstleistung, der jedes Mal für „Unruhe“ bei Manager:innen und Betriebsrät:innen sorgt. Und zwar, wenn ich von unseren „Reality-Checks“ spreche, bei denen wir ganze Arbeitstage mit Mitarbeiter:innen verbringen. Dadurch wollen wir verstehen, wie gut die Prozesse in der Praxis funktionieren, ohne die begleiteten Personen persönlich zu beurteilen. Die Qualität von Prozessen lässt sich daran messen, ob Mitarbeiter:innen vollständige Informationen für ihre Arbeit haben und ob sie ohne unnötige Handgriffe die ihnen zugewiesene Aufgabe erledigen können. Ist dies nicht der Fall, so resultieren daraus nicht wertschöpfende Zeitanteile.

Vor einigen Jahren werden wir von einem deutschen Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche kontaktiert, um die Effizienz zu erhöhen. Als ich bei der Vorstellung unserer Methoden zu den Reality-Checks komme, wird das Management unruhig und unterbricht meinen Redefluss. „Sie wollen den ganzen Tag mit einzelnen Mitarbeiter:innen verbringen? Das bringen wir beim Betriebsrat nie durch, und auch uns ist nicht ganz wohl dabei. Da dringen Sie doch in die Intimsphäre der Mitarbeiter ein!“
Ganz ruhig erkläre ich, dass meine Leute auf diese sensible Aufgabe bestens vorbereitet sind, dass wir uns bereits am Vorabend des Reality-Checks bei den sogenannten „Probanden“ vorstellen, dass die Auswertung des Reality-Checks allen DSGVO-Regeln entspricht und Betriebsräte auch in Deutschland dabei kein Mitspracherecht haben. Natürlich empfehlen wir, sowohl Führungskräfte als auch Belegschaftsvertretung vorher ganz offen zu informieren.
Das erste Gespräch mit dem Betriebsrat, der gleich in voller Stärke antritt, ist sehr ruppig. „Sie wollen doch unsere Leute nur schlecht machen und nachweisen, dass sie den ganzen Tag sowieso nichts tun. Das wird ja die reinste Hexenjagd!“ Ich kenne solche Aussagen, aber nach einigen Jahrzehnten bleibe ich ganz gefasst, zeige ein Beispiel eines Reality-Checks und kann so die aufgeheizte Stimmung etwas beruhigen. Nach einigen weiteren Terminen gibt der Betriebsrat grünes Licht.
Wenig später beginnen wir mit der Arbeit. Vorweg werden jene Mitarbeiter:innen sorgfältig ausgesucht, mit denen wir ganze Tage verbringen werden. Bei der Vorstellung sage ich zum jeweiligen Probanden: „Ich bedanke mich für das Vertrauen, das Sie mir schenken, indem Sie mir einen genauen Einblick in Ihr Arbeitsleben ermöglichen. Ich werde Sie nur um Erklärungen bitten, wenn ich etwas nicht verstehe, ansonsten werde ich für diesen einen Tag einfach Ihr Schatten sein.“

Vor einigen Jahren werden wir von einem deutschen Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche kontaktiert, um die Effizienz zu erhöhen. Als ich bei der Vorstellung unserer Methoden zu den Reality-Checks komme, wird das Management unruhig und unterbricht meinen Redefluss. „Sie wollen den ganzen Tag mit einzelnen Mitarbeiter:innen verbringen? Das bringen wir beim Betriebsrat nie durch, und auch uns ist nicht ganz wohl dabei. Da dringen Sie doch in die Intimsphäre der Mitarbeiter ein!“
Ganz ruhig erkläre ich, dass meine Leute auf diese sensible Aufgabe bestens vorbereitet sind, dass wir uns bereits am Vorabend des Reality-Checks bei den sogenannten „Probanden“ vorstellen, dass die Auswertung des Reality-Checks allen DSGVO-Regeln entspricht und Betriebsräte auch in Deutschland dabei kein Mitspracherecht haben. Natürlich empfehlen wir, sowohl Führungskräfte als auch Belegschaftsvertretung vorher ganz offen zu informieren.
Das erste Gespräch mit dem Betriebsrat, der gleich in voller Stärke antritt, ist sehr ruppig. „Sie wollen doch unsere Leute nur schlecht machen und nachweisen, dass sie den ganzen Tag sowieso nichts tun. Das wird ja die reinste Hexenjagd!“ Ich kenne solche Aussagen, aber nach einigen Jahrzehnten bleibe ich ganz gefasst, zeige ein Beispiel eines Reality-Checks und kann so die aufgeheizte Stimmung etwas beruhigen. Nach einigen weiteren Terminen gibt der Betriebsrat grünes Licht.
Wenig später beginnen wir mit der Arbeit. Vorweg werden jene Mitarbeiter:innen sorgfältig ausgesucht, mit denen wir ganze Tage verbringen werden. Bei der Vorstellung sage ich zum jeweiligen Probanden: „Ich bedanke mich für das Vertrauen, das Sie mir schenken, indem Sie mir einen genauen Einblick in Ihr Arbeitsleben ermöglichen. Ich werde Sie nur um Erklärungen bitten, wenn ich etwas nicht verstehe, ansonsten werde ich für diesen einen Tag einfach Ihr Schatten sein.“

IM SCHATTEN. So gehen wir am nächsten Morgen pünktlich ans Werk. In der ersten halbe Stunde fühle ich mich auch nach Jahrzehnten immer wieder etwas unwohl. Für den Proband:in ist das mit Sicherheit nicht besser, eher schlechter. Ich notiere auf einer programmierten Excel-Datei minutengenau, was vorfällt. Jede Unterbrechung des Arbeitsflusses dokumentiere ich. Auftragsnummern werden notiert, Screenshots gemacht, fehlende Informationen festgehalten. Schritt für Schritt entspannt sich das Klima, und nach 90 Minuten fühlt es sich für uns beide schon ganz normal an. Am Ende des Arbeitstages gehen wir die Akti-vitäten durch und verifizieren, was wertschöpfend war und was nicht. Danach drücke ich auf ei-nen Button um festzustellen, wie hoch der Anteil an wertschöpfen-der Zeit für diesen Tag ist. Die Proband:innen sind vom Ergebnis in aller Regel wenig überrascht. Es fallen Aussagen wie: „Ich bin echt froh, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um die vielen Probleme, die wir bei unserer Arbeit haben, einmal direkt festzustellen! Ich hoffe, dass jetzt endlich etwas passiert!“

Neben den Beobachtungen sind auch die Potenziale für Verbesserungen zu dokumentieren. Danach wird die gesamte Datei auf einem großen Plotter aus-gedruckt. Es entsteht eine etwa fünf Meter lange und einen Meter breite Bahn. Zusammen mit den von meinen Kollegen durchgeführten Reality- Checks haben wir mit einer Stichprobe von fünf bis zehn Prozent der Mitarbeiter:innen ein repräsentatives Bild. Das Management reagiert wie fast immer sehr überrascht. Es fallen Aussagen wie: „Ich habe schon gewusst, dass es nicht ganz rund läuft, aber dass unsere Produktivität so schlecht ist, ist für mich ein Schock.“
Kein Wunder, liegt doch der Anteil an nicht wertschöpfender Zeit bei 45 Prozent – was heißt, dass jede zweite Minute mit Aktivitäten verbracht wird, für die kein Kund:in zahlen würde.

IM SCHATTEN. So gehen wir am nächsten Morgen pünktlich ans Werk. In der ersten halbe Stunde fühle ich mich auch nach Jahrzehnten immer wieder etwas unwohl. Für den Proband:in ist das mit Sicherheit nicht besser, eher schlechter. Ich notiere auf einer programmierten Excel-Datei minutengenau, was vorfällt. Jede Unterbrechung des Arbeitsflusses dokumentiere ich. Auftragsnummern werden notiert, Screenshots gemacht, fehlende Informationen festgehalten. Schritt für Schritt entspannt sich das Klima, und nach 90 Minuten fühlt es sich für uns beide schon ganz normal an. Am Ende des Arbeitstages gehen wir die Akti-vitäten durch und verifizieren, was wertschöpfend war und was nicht. Danach drücke ich auf ei-nen Button um festzustellen, wie hoch der Anteil an wertschöpfen-der Zeit für diesen Tag ist. Die Proband:innen sind vom Ergebnis in aller Regel wenig überrascht. Es fallen Aussagen wie: „Ich bin echt froh, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um die vielen Probleme, die wir bei unserer Arbeit haben, einmal direkt festzustellen! Ich hoffe, dass jetzt endlich etwas passiert!“

Neben den Beobachtungen sind auch die Potenziale für Verbesserungen zu dokumentieren. Danach wird die gesamte Datei auf einem großen Plotter aus-gedruckt. Es entsteht eine etwa fünf Meter lange und einen Meter breite Bahn. Zusammen mit den von meinen Kollegen durchgeführten Reality- Checks haben wir mit einer Stichprobe von fünf bis zehn Prozent der Mitarbeiter:innen ein repräsentatives Bild. Das Management reagiert wie fast immer sehr überrascht. Es fallen Aussagen wie: „Ich habe schon gewusst, dass es nicht ganz rund läuft, aber dass unsere Produktivität so schlecht ist, ist für mich ein Schock.“
Kein Wunder, liegt doch der Anteil an nicht wert-schöpfender Zeit bei 45 Prozent – was heißt, dass jede zweite Minute mit Aktivitäten verbracht wird, für die kein Kunde zahlen würde.